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Käufer eines neuen Geländewagens kann vom Kaufvertrag zurücktreten, wenn der Neuwagen nicht den Entwicklungsstand vergleichbarer Geländewagen erreicht
Datum: 02.07.2007
Kurzbeschreibung:
Der Käufer kaufte bei der beklagten Autohaus GmbH Anfang 2005 ein geländegängiges Fahrzeug mit permanentem Allradantrieb für 29.000 Euro. Das Vorgängermodell gab er in Zahlung. Nach der Lieferung im April 2005 beanstandete er mehrere Mängel, u.a. eine deutlich verzögerte Beschleunigung bei Geschwindigkeiten über 140 km/h, ein starkes Bocken und Vibrieren des Fahrzeugs bei Erreichen der zulässigen Höchstgeschwindigkeit und deren Abregeln. Nachdem er eine Frist zur Reparatur gesetzt hatte und innerhalb dieser Frist diese Mängel nicht repariert worden waren, verlangte der Kläger zunächst Neulieferung von der Beklagten, im August 2005 erklärte er den Rücktritt vom Kaufvertrag. Die Beklagte macht geltend, dies sei Stand der Serie und fahrzeugbedingt vorgegeben. Es entspreche auch dem Stand der Technik eines Geländewagens.
Nach Einholung eines Sachverständigengutachtens hat das Landgericht Konstanz die Klage abgewiesen. Die unzureichende und verzögerte Beschleunigung des gekauften Fahrzeuges bei Geschwindigkeiten über 140 km/h, das starke Bocken und Vibrieren beim automatischen Abregeln beim Erreichen der Höchstgeschwindigkeit von 174 km/h und die verzögerte Reaktion bei Änderung der Einstellung beim Tempomat seien keine Sachmängel, es handele sich um konzeptionell bedingte, fahrzeugspezifische Steuerungs- und Regelungsdefizite, sie entsprächen dem anzulegenden Maßstab „Stand der Technik".
Auf die Berufung des Klägers hat das Oberlandesgericht Karlsruhe - Senate in Freiburg - der Klage überwiegend stattgegeben.
Das Oberlandesgericht hat dazu ausgeführt: Bei der Frage, ob Sachmängel vorliegen, ist nach der fast einhelligen Meinung in der Rechtsprechung auf den allgemeinen „Stand der Technik" abzustellen. Der Stand der Technik ist der Entwicklungsstand aller in dieser Fahrzeugklasse vergleichbaren Kraftfahrzeuge, nicht allein der der Serie. Dem Stand der Technik entspricht der Geländewagen nicht: Er beschleunigt nach dem automatischen Gangwechsel bei Geschwindigkeiten über 140 km/h nur verzögert. Das Dreiganggetriebe mit einer zu-/abschaltbaren Overdrive-Stufe bewirkt mit seiner Leistungsauslegung einen zu starken Abfall der Drehzahl und damit verbunden eine zu lange Spanne, bis sich die Beschleunigung trotz unveränderter Gaspedalstellung nach Gangwechsel in den höheren Gang von zwei auf drei wieder fortsetzt. Statt dessen tritt zunächst ein Geschwindigkeitsgleichstand von mindestens zehn Sekunden ein, der nicht dem üblichen Standard eines Geländewagens vergleichbarer Art und Preisklasse entspricht. Geländewagen werden hierzulande üblicherweise weitgehend auch im normalen Straßenverkehr eingesetzt, so dass der Geschwindigkeitsbereich über 140 km/h für den Fahrbetrieb von Bedeutung ist. Die Zeitspanne von 10 Sekunden ist im Fahrbetrieb ungewöhnlich und störend. Sie führt zu einer Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit, wenn ein Überholvorgang knapp ist. Da selbst ein vorausschauender Fahrer nicht alle schwierigen Verkehrssituationen vorhersehen wird, kann dieses Sicherheitsrisiko nicht vollständig durch ein Mehr an Sorgfalt und Vorsicht ausgeschaltet werden. Das Fahrzeug weicht mit diesem Mangel nicht nur vom Standard der Fahrzeugklasse, sondern auch vom Vorgängermodell ab. Der Kläger, der das Vorgängermodell zuvor gefahren und bei der Beklagten in Zahlung gegeben hat, durfte erwarten, über die gravierende, die Verkehrssicherheit beeinflussende Änderung zum Vorgängermodell von der Beklagten informiert zu werden, was nicht der Fall war. Dieser Mangel war auch im Rahmen der innerstädtischen Probefahrt für den Kläger nicht feststellbar.
Es bestehen auch weitere, weniger gravierende Abweichungen sowohl vom Standard des Vorgängermodells als auch der Fahrzeugklasse. Das Fahrzeug bockt und vibriert beim automatischen Abregeln bei Erreichen der Höchstgeschwindigkeit. Dies hat ein starkes Verzögerungsrucken und Nachnickbewegungen zur Folge. Das Fahrzeug ruckt und pendelt so, dass die Insassen zunächst recht unangenehm nach vorne und hinten bewegt werden. Das Verzögerungsrucken schwächt sich sogleich wieder ab. Auch dieser Mangel ist nicht durch die Konzeption eines Geländewagens vorgegeben, sondern beruht allein darauf, dass der Motor bei 174 km/h seine Leistungsgrenze noch nicht erreicht hat und deshalb automatisch abgeregelt wird. Auf Änderungen der Einstellung reagiert der Tempomat nur mit einer ungewöhnlich langen Verzögerung. Auch diese ist nicht konzeptionell bedingt. Vielmehr ist die angewandte Technik schlicht veraltet. Dies entspricht weder dem Bedien- und Komfortstandard des Vorgängermodells noch dem von Konkurrenzfahrzeugen. Aufgrund dieser Mängel konnte der Käufer wirksam vom Kaufvertrag zurücktreten. Die beklagte Autohaus GmbH muss dem Kläger gegen Rückgabe des Geländewagens den Kaufpreis abzüglich der Gebrauchsvorteile durch Nutzung des Wagens zurückzahlen.
Die Revision wurde nicht zugelassen.
Oberlandesgericht Karlsruhe, Urteil vom 28.06.2007 - 9 U 239/06 -