Die nachfolgenden Erläuterungen sollen Ihnen einen kurzen Überblick über das sozialgerichtliche Verfahren geben:
- Wie erhebt man Klage?
- Wer ist am Verfahren beteiligt?
- Kann der Prozess allein geführt werden?
- Was unternimmt das Gericht?
- Welche Pflichten hat der Kläger?
- Wie lange dauert der Prozess?Wie endet der Prozess?
- Wie ist der Gang der mündlichen Verhandlung?
- Welche Kosten entstehen durch das Verfahren?
Wie erhebt man Klage?
In der Regel richtet sich die Klage gegen Entscheidungen der Versicherungsträger bzw. der Behörden. Gegen diese ist zumeist erst Widerspruch einzulegen, bevor Klage erhoben werden kann. Erst nach Abschluss des Vorverfahrens durch Erlass des Widerspruchsbescheides ist die Klage zulässig.
Wo, wie und bis wann die Klage erhoben werden kann, steht im Widerspruchsbescheid als Rechtsmittel-/Rechtsbehelfsbelehrung. Bei Unklarheiten empfiehlt es sich, bei der Behörde nachzufragen, die Ihnen den Widerspruchsbescheid übersandt hat.
Hier noch einmal das Wesentliche:
Wo? Bei dem Sozialgericht, das in der Rechtsbehelfsbelehrung im Widerspruchsbescheid genannt ist. Liegt jedoch Ihr
Beschäftigungsort im Bezirk eines anderen Sozialgerichts, können Sie auch bei diesem Sozialgericht Klage erheben.
Wie? Sie können Ihre Klage per Brief, Telefax oder De-Mail an das Sozialgericht schicken. Sie können aber auch zur
Rechtsantragstelle des Sozialgerichts gehen und dort die Klage zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle aufnehmen
lassen. Der Urkundsbeamte hilft Ihnen gegebenenfalls bei der Formulierung Ihrer Klage.
Die Klage kann auch in qualifizierter elektronischer Form - nicht mit einfacher E-Mail - erhoben werden (vgl. hierzu www.ejustice-bw.de).
Bis wann? Innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Widerspruchsbescheides. Beachten Sie, dass die Klage innerhalb des Monats beim
Gericht angekommen sein muss. Anhand der nebenstehenden Checkliste können Sie überprüfen, ob alles wichtige in Ihrer Klage
enthalten ist.
Wer ist am Verfahren beteiligt?
Die Prozessparteien sind "Kläger" und "Beklagter". Beklagter ist in der Regel die Behörde, die den ablehnenden Bescheid erlassen
hat (z.B. Rentenversicherungsträger, Krankenkasse, Berufsgenossenschaft, Bundesagentur für Arbeit/Arbeitsagentur, Land
Baden-Württemberg usw.).
Ausnahmsweise können noch weitere Behörden, Firmen oder auch Privatpersonen, deren Rechte durch das Verfahren berührt werden, an dem Verfahren mitwirken. Diese führen die Bezeichnung "Beigeladener". Kläger, Beklagte und ggf. Beigeladene werden zusammengefasst auch "Beteiligte" genannt.
Kann der Prozess allein geführt werden?
Grundsätzlich kann jeder Kläger seinen Prozess alleine führen. Sie brauchen also keinen Rechtsanwalt oder sonstigen Bevollmächtigten. Selbstverständlich können Sie sich jedoch der Hilfe eines Rechtsanwaltes, Rechtsbeistandes oder der Fachleute eines Verbandes (z.B. Gewerkschaften, Vereinigungen von Kriegs- und Wehrdienstopfern, Behinderten, Rentnern u.ä.) bedienen. Die Entscheidung, ob Sie sich vertreten lassen oder ob Sie den Prozess alleine führen wollen, müssen Sie selbst treffen.
Was unternimmt das Gericht?
Es gilt der Amtsermittlungsgrundsatz. Das Gericht sorgt daher von sich aus dafür, dass alle Tatsachen und Umstände aufgeklärt werden, die für die Entscheidung über Ihre Klage von Bedeutung sind. Es lässt sich z.B. notwendige Unterlagen zusenden oder holt Auskünfte von anderen Stellen ein. Wenn es das Gericht für erforderlich erachtet, kann ein Sachverständiger (z.B. ein Arzt) mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt werden.
Welche Pflichten hat der Kläger?
- Auch wenn das Gericht den Sachverhalt von sich aus (von Amts wegen) aufklärt, ist es dringend auf Ihre Mithilfe der klagenden Partei angewiesen. Sie sollten daher die Beweismittel und die Gründe angeben, weshalb Sie nicht mit dem Bescheid der beklagten Behörde einverstanden sind. Sie können auch erstmal Klage erheben, um die Klagefrist nicht zu versäumen, und die Begründung später nachreichen.
- Fügen Sie bitte allen Schriftsätzen an das Gericht eine Mehrfertigung für den Beklagten bei.
- Schreiben und Anfragen des Gerichts sollten Sie so bald wie möglich, spätestens in der Ihnen gesetzten Frist beantworten.
- Zu Unterlagen (z.B. Schreiben des Beklagten oder Gutachten), die Ihnen vom Gericht zur Stellungnahme übersandt werden, sollen Sie rechtzeitig Ihre Meinung äußern. Auf Schreiben, die Ihnen nur zur Kenntnis geschickt werden, müssen Sie nicht antworten.
- Geben Sie in allen Schreiben an das Gericht das Aktenzeichen an. Das Aktenzeichen steht auf jedem Schreiben des Gerichts.
- Wenn das Gericht Ihre Untersuchung durch einen sachverständigen Arzt für erforderlich hält, werden Sie darüber benachrichtigt; der beauftragte Arzt wird Sie gesondert zu der Untersuchung einladen. Halten Sie bitte den Ihnen mitgeteilten Untersuchungstermin genau ein. Können Sie den mitgeteilten Termin nicht wahrnehmen, setzen Sie sich bitte unverzüglich mit dem Sachverständigen in Verbindung, damit Ihnen möglichst schnell ein neuer Termin zugewiesen werden kann.
- Teilen Sie dem Gericht im Verlauf des Rechtsstreits unaufgefordert eine Anschriftänderung mit.
- Geben Sie dem Gericht auch Nachricht, wenn Sie länger nicht zu erreichen sind, z.B. weil Sie sich aus beruflichen Gründen im Ausland aufhalten, aber auch, wenn Sie in einen längeren Urlaub fahren.
Wie lange dauert der Prozess?
Das Gericht bemüht sich um eine möglichst rasche Erledigung Ihres Rechtsstreits. Die Dauer eines Verfahrens kann jedoch nicht vorhergesagt werden. Es gibt viele Gründe, die zu Verzögerungen führen können, zum Beispiel:
- Die Übersendung von Akten und Unterlagen, die das Gericht anfordert, erfolgt häufig erst nach einigen Wochen.
- Die Gutachtenserstellung durch medizinische Sachverständige kann sich über Monate hinziehen.
Wie endet der Prozess?
Ein Prozess kann auf unterschiedliche Art beendet werden:
Der Beklagte sieht ein, dass der Kläger Recht hat und erkennt den geltend gemachten Anspruch voll an ("Anerkenntnis"). Der Kläger erklärt hiermit sein Einverständnis.
Der Beklagte erkennt den Anspruch teilweise an, der Kläger geht auf das Angebot ein und verzichtet im übrigen auf seinen geltend gemachten Anspruch ("Vergleich").
Der Kläger sieht ein, dass die Klage keine Aussicht auf Erfolg hat und nimmt sie zurück ("Klagerücknahme").
Kläger und Beklagte beharren auf ihren unterschiedlichen Meinungen. Das Gericht entscheidet in einer mündlichen Verhandlung bzw. mit Einverständnis der Beteiligten auch ohne mündliche Verhandlung durch "Urteil" . Das Urteil ergeht durch den Kammervorsitzenden und die ehrenamtlichen Richter.
Wenn die Sache keine besonderen Schwierigkeiten aufweist und der Sachverhalt geklärt ist, kann - nach schriftlichem Hinweis des Gerichts mit der Möglichkeit für die Beteiligten, sich hierzu schriftlich zu äußern - das Gericht (der Kammervorsitzende ohne ehrenamtliche Richter) auch ohne Einverständnis der Beteiligten durch "Gerichtsbescheid" entscheiden.
Wie ist der Gang einer mündlichen Verhandlung?
Kommt es im Laufe des schriftlichen Verfahrens zu keiner Einigung der Beteiligten, wird häufig eine mündliche Verhandlung angesetzt. Wenn Sie nicht teilnehmen können, in der Ladung aber angegeben war, dass Sie persönlich zu erscheinen haben, müssen Sie sich rechtzeitig entschuldigen.
In der mündlichen Verhandlung führt ein Berufsrichter den Vorsitz. Ihm zur Seite stehen zwei ehrenamtliche Richter. Sie üben das Amt mit gleichen Rechten wie ein Berufsrichter aus.
Zu Beginn der mündlichen Verhandlung wird der Sachverhalt des Prozesses vorgetragen. Alle Beteiligten erhalten dann Gelegenheit, sich zu äußern. Erfolgt keine Einigung unter den Beteiligten, zieht sich das Gericht zur Beratung zurück. In der Regel wird anschließend ein Urteil verkündet und mündlich kurz begründet. Das schriftliche Urteil enthält eine ausführlichere Begründung der Entscheidung des Gerichts und wird Ihnen später zugestellt.
Welche Kosten entstehen durch das Verfahren?
Das Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist in allen Instanzen für den Bürger, der als Versicherter, sonstiger Leistungsempfänger oder als Behinderter klagt, gerichtskostenfrei. Gerichtsgebühren nach Streitwert, wie auch in anderen Gerichtszweigen üblich, gelten nur in Verfahren, an dem kein Versicherter o.ä. beteiligt ist (z.B. Rechtsstreiten zwischen Leistungsträgern oder Vertragsarztsachen).
Außergerichtliche Kosten hingegen, wie sie insbesondere durch die Bestellung eines Prozessbevollmächtigten entstehen, hat der Beteiligte in der Regel selbst zu tragen, wenn er im Rechtsstreit unterliegt.
Einkommensschwachen Beteiligten kann unter bestimmten Voraussetzungen Prozesskostenhilfe gewährt werden. Die Kosten eines Bevollmächtigten werden abhängig von der Einkommens- und Vermögenslage des Antragstellers von der Staatskasse ganz getragen oder dem Betroffenen wird Ratenzahlung zugebilligt. Der Antrag kann beim Sozialgericht gestellt werden. Einzelheiten hierzu erfahren Sie auf den Service -Seiten des Landes Baden-Württemberg service-bw. Die dort gemachten Ausführungen gelten entsprechend auch für das sozialgerichtliche Verfahren.